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Gebr. Bruder Figurenorgel von 1855

Die Restaurierung der „Sarg-Orgel“

von Orgelbaumeister Heinz Jäger

Vorwort
Die Figurenorgel wurde 2002 von der Waldkircher Orgelstiftung erworben. Erste Untersuchungen ergaben, dass es sich hier um ein besonders wertvolles Instrument handelt. Der hohe Anteil an Originalsubstanz ist ein Glücksfall. Das Pfeifenwerk und die Figurenbühne sind komplett erhalten, die Stiftwalze nicht gerissen. Das Klangbild nach einer Restaurierung war fühlbar. Der Entschluss der Waldkircher Orgelstiftung, diese wunderschöne Figurenorgel bis zum Orgelfest 2005 restaurieren zu wollen, stand fest. Eine Zusage zur Kostenübernahme durch den Orgel-Förderkreis Waldkirch e.V. ermöglichte den Beginn der Arbeiten im Februar 2004. Für die Arbeiten zur Restaurierung der farblichen Fassung der Figuren und der Oberflächenbehandlung des Gehäuses wurde Dipl.-Restorautor Thomas Grünewald, Kollnau, beauftragt. Die Restaurierung der Orgel und Figurenmechanik wurde von der Fa. Jäger & Brommer, Waldkirch, durchgeführt. Im Laufe Ihrer 150-jährigen Geschichte wurde die Orgel mehrfach repariert, ohne jedoch größere Umbauten vorzunehmen. Zwei Inschriften befinden sich auf der Rückseite des Clavisbalkens: Reperet of J. Nilsson Mekun(i?)kus – malmö 1859 und Reperet of (unleserlich) 1888. Zusätzlich sind zwei Zeitungsausschnitte in norwegischer Sprache an den Pfeifen als Abdichtung zu finden. In dem Messingbeschlag des Ledertragegurtes ist O. Knutsen eingraviert. Hier handelt es sich offenbar um den Besitzer der Orgel, die viele Jahre in Norwegen war. Auch in England, dem letzten Standort der Orgel, wurden Reparaturen ausgeführt. Hier sind zwei neue Zahnräder für den Antrieb der Figurenmechanik eingesetzt und Veränderungen an den Bewegungsabläufen der Figuren vorgenommen worden. Auf der Windlade fand sich die Signatur Wilhelm Bruders: „Von Gebrüder Bruder in Waldkirch im August 1855 W.B.“ Die Orgel kam in einem nicht spielbaren Zustand nach Waldkirch.
Die Restaurierung
Vor und während der Demontage der Orgel wurden von allen Details Fotos und eine Tonaufnahme erstellt. Der vorhandene Winddruck wurde gemessen. Beim einzig spielbaren 8'-Register wurden die Frequenzen in Hz bei allen Tönen abgenommen. Nach der Demontage wurden die einzelnen Arbeitsschritte zur Restaurierung festgelegt und schrittweise ausgeführt
Grundlage hierfür ist das Wissen um alte handwerkliche Arbeitstechniken, Werkstoffkunde sowie Ziele der Denkmalpflege. Nachfolgend ein Auszug der einzelnen Arbeitsschritte zur Restaurierung dieser Figurenorgel.
Gehäuse

Das in Sockel und Obergehäuse geteilte Orgelgehäuse ist aus Schwarzwälder Nussbaum mit Schwalbenschwanzzinkung gefertigt. In der Front sind Intarsienbänder eingelassen. Die herausnehmbare Füllung ist mit einem Prospektmotiv aus Messingblech verziert. Die Oberfläche wurde gereinigt, einfache Risse neu verleimt. Die Füße wurden abgenommen, Absplitterungen und Fehlstellen neu hergestellt, angepasst und verleimt. Fehlende Holzteile im Sockelbereich wurden angefertigt und verleimt. Das ausgeschlagene Kurbelwellenlager in der Rückseite wurde gegen ein neues in Weißbuche ersetzt.

Auf der rechten Gehäuseseite wurde ein größeres Stück Nussbaum eingesetzt, um das Walzenlager und das Stellschwert mit Feder wieder zu befestigen. Weitere Nussbaumteile wurden an Splitterstellen und ausgebrochenen Holzteilen eingesetzt und verputzt. Einzelne Intarsienteile wurden abgelöst und mit Leim neu gesichert. Alle verwendeten Materialien entsprechen dem ursprünglichen Zustand. So stammt der ergänzte Nussbaum von einem alten Bett, Weißbuche aus einer alten Tischplatte etc. Alle Neuteile sind von Hand gehobelt, die Leimverbindungen je nach Anforderung mit Knochenoder Hautleim ausgeführt.
Windversorgung Balg

Es handelt sich hierbei um einen einfachen Doppelschöpfbalg mit Magazin und außenliegendem Überdruckventil. Der völlig desolate Blasebalg musste zerlegt und neu aufgebaut werden. Hierbei ist es unerlässlich, alle Details festzuhalten. Eine gute Windversorgung ist entscheidend für die Qualität einer Orgel. Rückschlagklappen, Scharniere, Balgfalten – alles muss sehr genau gearbeitet sein.

Die Lederteile wurden durch neue aus handgegerbtem Schafsleder in verschiedenen Stärken erneuert. Die Balgfalten entsprechen den originalen aus Karton gefertigten und mit verdünntem Hautleim eingestrichenen Falten. Die Balgplatten wurden gesäubert, neu mit verdünntem Leim eingestrichen und es wurden neue Rückschlagklappen nebst Scharnieren montiert.
Auf ausreichende Trockenzeiten ist hierbei besonders zu achten. Die neuen Lederfalten wurden wieder mit Hautleim auf das Balggerüst aufgeleimt. Die Papierung der Magazin- und Bodenplatte wurde erneuert. Ein Stück der Originalpapierung wurde erhalten.
Pfeifenwerk

Das gesamte Pfeifenwerk ist im ursprünglichen Zustand erhalten. Kernspalten und Aufschnitthöhen der Pfeifen sind, bis auf wenige Ausnahmen, nicht verändert worden. Erfreulicherweise sind auch die beiden Zungenpfeifen der Bassverstärkung vorhanden, mit originalen Kehlen und Zungenblättern. Es waren die üblichen Schäden festzustellen: Risse, undichte Stellen, beschädigte Spundgriffe, ausgerissene Oberlabiumkanten. Die Aufarbeitung der Pfeifen wurde sehr vorsichtig ausgeführt: Reinigen aller Pfeifen mit feuchten Tüchern und Druckluft, Verleimen von Rissen, Überprüfen und Ergänzen der Spundbelederung, Herstellung diverser Spundgriffe. Bei den Bodenpfeifen wurden die Vorschläge mit wenig Wasserdampf und Wärme gelöst. In den Kernen hatten sich im Laufe der Jahre Spinnennester gebildet. Einzelne Pfeifen wurden neu verleimt, zum Teil wurden neue Oberlabien eingesetzt. Bei den Zungenpfeifen wurde die Belederung der Holzkehlen erneuert und Zungenblätter poliert und neu aufgeworfen. Die Belederung der Stiefel wurde erneuert. Das fertige Pfeifenwerk wurde auf der Intonierlade in der Intonation ausgeglichen. Der gemessene Winddruck von 88 mm WS wurde auf 82 mm WS erniedrigt. Bei diesem Winddruck klingt das Pfeifenwerk am Besten.

Windlade

Das Herz der Orgel, die Windlade, war nicht mehr winddicht, die Registerschleifen klemmten und es waren leichte Heuler vorhanden. Die Ventilfedern waren sehr ungleichmäßig und zum Teil viel zu stark eingestellt, was zu erheblichen Belastungen der Walzenbestiftung führt. Um ein gutes klangliches Ergebnis zu erreichen, musste die Windlade grundlegend restauriert werden. Die Windlade wurde vorsichtig vom Bodenbrett gelöst. Eine Ventilfeder war gebrochen, ein großer Teil stark korrodiert. Neue Ventilfedern aus 0,6 mm-Messingdraht wurden angefertigt. Die angeschwänzten Ventile wurden gelöst, das alte Leder entfernt und die Ventile von Leim- und Lederresten befreit. Die Ventile wurden mit 0,7 mm-Ventilleder neu beledert. Nach Entfernen der Ventilstifte wurde die Ventilauflagefläche abgerichtet. Die Schleifenbegrenzung wurde durch Einsetzen neuer Holzteile neu justiert. Wiedereinbau der Ventile und den polierten Ventilstiften. Anschließend wurde die Windlade unter Winddruck gesetzt und auf Heuler und Durchstecher kontrolliert. Die eingestellten Ventilfedern wurden in das Bodenbrett eingesetzt und mit einer Leimspur gesichert. Nach Abschluss der Arbeiten wurde die Windlade wieder auf das Bodenbrett aufgeleimt und die Lade mit Leder geschlossen.

Die Figurenmechanik

Vieles an der Mechanik war verbogen und abgenutzt. Die ursprünglichen Bewegungsabläufe waren nicht mehr gegeben. Die Mechanik lief sehr schwergängig, was zu erheblichen Folgeschäden führte. Jedes Einzelteil wurde mithilfe einer feinen Drahtbürste und Stahlwolle unterschiedlicher Feinheit von oberflächlichem Rost befreit und mit einer Polierpaste aus Schlämmkreide, Asche und Öl nachgearbeitet. Durch fehlende Schmierung entstandene Einkerbungen und scharfkantige Stellen wurden nachgefeilt und poliert, um ein Klemmen zu verhindern. Alle Wellen wurden wieder eingebaut, gebrochene und stark verbogene Eisendrähte ersetzt, der Funktionsablauf jeder Figur wurde rekonstruiert: Es öffnet sich zuerst der Sarg, bevor sich Napoleon aufrichtet, dann zweimal mit der rechten Hand grüßt und dabei die im liegenden Zustand noch geschlossenen Augen öffnet. Alleine für die Rekonstruktion dieses Bewegungsablaufes waren 11 Arbeitsstunden erforderlich. Diese Arbeiten erfordern ein hohes Maß an Geschicklichkeit und Geduld. Napoleons Soldat bewegt sich um 90° von rechts nach links, dabei dreht er die Augen von links nach rechts. Um die Funktion der Augen wieder herzustellen, musste der Kopf geöffnet werden. Die winzige Mechanik der Augen war durch zu hohen Druck auf der Ansteuermechanik verbogen und eingeklemmt. Für diese Arbeiten sind Uhrmacherwerkzeuge unabdingbar. In gleicher Weise wurden die restlichen Figuren in der Funktion wie im zeitlichen Ablauf wiederhergestellt.

Mechanik

Ein nicht unbedeuteter Teil der Restaurierung betrifft die mechanischen Teile: Kurbelwelle, Kurbel, Griff, Zahnräder, Pleuelstange und Lager, Stellschwert, Feder, Walzenlager und Clavisbalken mit Stechern. Hier nur einige Auszüge: Bei der Kurbelwelle wurde der Pleuelstift neu gedreht und eingenietet; der alte war völlig abgenutzt. Die Lagerpunkte wurden um wenige Zehntelmillimeter abgedreht, um einen geraden, glatten Sitz in den Lagern zu gewährleisten. Ein neuer Distanzring wurde auf die Kurbelwelle aufgepresst, um ein Schleifen des Zahnrades der Rücklaufsperre an der Rückwand zu vermeiden. Das Kurbelwellenlager wurde neu eingesetzt, aufgebohrt und der Welle angepasst. Die Pleuelstange war mehrfach gerissen und am Lager ausgeschlagen. Da die Pleuelstange völlig durchgeölt war, kam eine Verleimung nicht in Frage. Es wurde eine neue Stange aus Weißbuche angefertigt,